Donnerstag, 13. März 2008

Hab Znacht in der Villa Stucki

Gastbeitrag









DER BAER ERZAEHLT!!


Lieber Andy,
Du hast mich gebeten um einen Bericht über das hab-Znacht in der Villa Stucki, und so will ich Dir gerne mitteilen, was mir dazu in den Sinn kommt. Das hab-Znacht ist das gemeinsame Essen am Mittwoch Abend, organisiert von unserm Verein hab (Homosexuelle Arbeitsgruppen Bern), wie es seit November 2007 in der Villa Stucki stattfindet. In der jetzigen Form gibt es das hab-Znacht also noch nicht lange, es geht aber auf eine ziemlich lange Tradition zurück.

Das gemeinsame Essen am Mittwoch Abend war schon viele Jahre und ist also jetzt immer noch ein zentrales Stück im Leben des Vereins, nicht das einzige und sicher nicht das einzig wichtige, was wir zu bieten haben, aber ein immer wiederkehrender Anlass, bei dem viele von uns sich treffen zu ungezwungenem Kennenlernen und Austausch. Seit der Verein sich in der Villa Stucki eingemietet, als ein Verein unter vielen andern in diesem Haus eine Bleibe gefunden hat, wird das hab-Znacht jetzt eben hier abgehalten. An andern Wochentagen und zu andern Tageszeiten treffen sich Gruppen von Müttern mit Kindern, Gruppen von Ausländern, Tanz- und Spielgruppen in diesem Haus, auch die Zusammenkünfte der mit uns verbundenen Jugendgruppe, die von uns angebotene Beratung und manchmal spezielle von uns organisierte Anlässe zu einem bestimmten Thema sind Teil des Veranstaltungsprogramms dieses Hauses.

Unser Abendessen ist also ein kleines Stück in dem vielfältigen Leben der Villa Stucki, die sich als Quartier-Treff versteht, offen für ein breites Publikum. Viele von uns finden es gut, wie wir in das bunte Allerlei integriert sind, das da in dem Haus abläuft.
Beim hab-Znacht gibt es natürlich etwas zu essen! Es entspricht der Zielsetzung unseres Vereins, die ich gerade in dieser Beziehung unterstützen möchte, dass wir nicht ein luxuriöses (und teures) Menu anbieten, sondern ein Abendessen gemäss dem Lebensstil unserer Mitglieder. Und doch gelingt es den Frauen, die für uns kochen, dem Essen immer eine spezielle Note zu geben, die es über den Alltag hinaushebt. Mit Liebe werden die Tische dekoriert, die Auswahl der Speisen bietet immer wieder eine Ueberraschung, es wird auf natürliche und saisongerechte Kost geachtet, alles wird appetitlich und lecker serviert, das Dessert ist immer besonders verführerisch, sündhaft gut.

Das Problem für die Köchinnen ist das: man weiss nie so genau, wieviele Leute kommen werden; denn man muss sich nicht vorher anmelden, wenn man teilnehmen will. So müssen sie kochen, dass es für viele reicht. . . Glücklicherweise sind bis jetzt auch meistens ordentlich viele gekommen, erst einmal, glaube ich, waren es eindeutig zu wenige, nicht einmal zwanzig. Wer also immer das liest, der sei herzlich eingeladen, am Mittwoch vorbeizukommen, damit so etwas sich nicht wiederholt!

Bei unserm hab-Znacht sind eigentlich fast alle Leute willkommen, natürlich die Mitglieder des Vereins, aber auch Schwule und Lesben, die nicht (wagen wir zu sagen noch nicht) Mitglied des Vereins sind, ihre Freunde und Freundinnen, Väter und Mütter, Brüder, Schwestern . . . In Wirklichkeit aber ist es so: Lesben sind gern gesehene Gäste, aber in der Minderheit, Freunde und Freundinnnen, Väter und Mütter, Brüder und Schwestern eigentlich kaum anzutreffen. Vor ein paar Jahren gab es einmal eine Untersuchung, und ich glaube, was damals herauskam, stimmt auch beim Essen in der Villa Stucki immer noch.

Der Durchschnittsbesucher unseres hab-Znachts ist zwischen dreissig und fünfzig und schwul: der Durchschnittsbesucher, und natürlich gibt es solche, die sind jünger oder älter, und einige verstehen sich eher als bi. Es kommen nicht jeden Mittwoch dieselben, aber die meisten, die kommen, kennen sich von einem frühern Mittwoch. Es gibt solche, die miteinander abmachen für einen bestimmten Mittwoch, andere kommen einfach und lassen sich überraschen, wen sie antreffen werden. Ganz klar: einmal kommt man zum ersten Mal. Wer zum ersten Mal kommt, braucht keine Angst zu haben! Er setzt sich auf einen freien Stuhl und sagt zu seinen Tischnachbarn: Ich heisse Willibald (oder wie immer), und schon ist er integriert, ohne dass er gleich seine ganze Lebensgeschichte und seine intimsten Geheimnisse preisgeben muss.

Was ich am besten finde: die meisten Leute, die ich beim hab-Znacht kennengelernt habe, sind eben gerade die richtigen für mich. Ich meine, es sind die selbstverständlichen Schwulen, die sich so annehmen, wie sie sind, ohne Komplex und ohne Grosstuerei, Leute, die im Leben ihren Ort finden und behaupten, mit denen man sich austauschen kann über kleine und grosse Sachen dieser Welt: Ereignisse des Alltags in Beruf und Freizeit, Probleme wie sie uns alle betreffen, Tagesaktualitäten. Käme da ein nichtsahnender Mensch von aussen mitten in unser hab-Znacht, der hätte vielleicht eine ganze Weile, bis er merkt, dass diese Leute da alle schwul sind, aber nicht weil wir es verstecken, sondern weil wir so selbstverständlich damit umgehen. Es gefällt uns, dass wir ganz ungezwungen miteinander reden können.

Gerne möchte ich zum Schluss noch die Schwubliothek erwähnen. Unser Verein verfügt über eine ordentliche Bibliothek (die eben Schwubliothek heisst): viele Bücher für Schwule und Lesben, zum Teil Sachbücher, zum Teil Romane und erzählende Literatur, dazu auch eine Sammlung DVD. Diese Schwubliothek ist immer während des hab-Znachts für alle hab-Znacht-BesucherInnen geöffnet, und die Ausleihbedingungen sind grosszügig.
Lieber Andy, habe ich genug oder zuviel gerühmt? Du weisst ja alles mindestens so gut wie ich! Du und ich, wir gehören zu den treuesten Gästen beim hab-Znacht. Doch Du wolltest es gerne von mir beschrieben haben. So sende ich Dir diese Zeilen mit freundschaftlichem Gruss!
Hans Baer.




Externe Links zum Thema:


Die Villa Stucki


Die Homosexuellen Arbeitsgruppen Bern



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